Weihnachtsbrief 2017
Liebe GIRASSOL-Freunde!
das Jahr 2017 war für GIRASSOL ein bedeutendes: unser Sozialprojekt feierte 25. Geburtstag - Zeit, Rückschau zu halten! Am 21. Oktober hat in Grajaú/SP die offizielle Feier stattgefunden; darüber berichteten wir auf Facebook und auf unserer Homepage. Von den vielen bewegenden Geschichten rund um unsere GIRASSOL-Familie möchten wir Ihnen in diesem Weihnachtsbrief die von Roswitha, Josué und Elcia erzählen.
Von den zahlreichen Reden, die an diesem Tag gehalten wurden, ist die Rede von Patricia Jende jene gewesen, die am berührendsten war. Sie sprach im Namen ihrer Mutter, für ihre Mutter Roswitha Schirmer, die im Januar 2015 das Opfer der tödlichen Gewalt vier minderjähriger Krimineller aus der ‘favela‘ in ihrer Nachbarschaft geworden war. Die Tochter erzählte voller Wärme von der Überzeugung Roswithas, Kindern und Jugendlichen durch Erziehung und Bildung, gegründet auf Liebe, Disziplin und Verständnis den Weg aus der Perspektivlosigkeit der ‘favelas‘ ebnen zu können. Über 20 Jahre lang stand Roswitha Schirmer an Angelika Pohlmanns Seite, unermüdlich im Bemühen, GIRASSOL voranzubringen, den Benachteiligten und Hoffnungslosen Hoffnung zu geben. Sie selbst war eine Hoffnungsträgerin - eine Haltung, die sie an die Tochter von deren Kindheit an weitergab. Die stand nun da, wissend, wie sehr ihrer Mutter das Jubiläumsfest gefallen hätte; dankbar und stolz auf die Mutter, die wiederum stolz auf die Tochter gewesen wäre ob deren ehrenamtlichen Engagements für GIRASSOL.
Mitte 2015 startete die erste Gruppe mit 20 Dreijährigen in der neuen Kindertagesstätte SBA GIRASSOL/Kids. Alle Kinder entstammten sehr bedürftigen, sozial schwierigen Verhältnissen, brachten jedoch eine positive Entwicklungsprognose mit. Die Aufnahme des kleinen Josué war in seiner besonders traurigen Biografie begründet: er lebte bei seiner Großmutter, denn sein Vater war unbekannt und seine Mutter saß im Gefängnis. Der Junge sprach nicht, nie - war organisch aber gesund.
Unsere Erzieherinnen zusammen mit der Sozialarbeiterin und der Psychologin leisteten ganze Arbeit . . . Was war es für ein Jubel, als nach sieben Monaten der Junge zu sprechen begann! Innerhalb weniger Wochen kommunizierte er mit den anderen Kindern und verwandelte sich nach und nach in ein seinem Alter entsprechendes Kerlchen.
Nicht all‘ zu lange nach seinem vierten Geburtstag brachte ihn seine Großmutter Montagmorgens zur Kita - die Frau war völlig aufgelöst, verweint und verwirrt, das Kind still und in sich gekehrt. Es stellte sich heraus, dass wenige Tage zuvor die Tochter, also die Mutter des Kleinen, aus der Haft entlassen worden war, aber für den Sohn weder Zeit noch Augen hatte. Wie Josués Großmutter richtig vermutete, war sie sofort wieder im Drogendealermillieu unterwegs und wurde Samstagabend erschossen aufgefunden. „Nun habe ich nur noch den Kleinen und er hat nur noch mich. Mein Mann, mein Sohn und jetzt meine Tochter - alle sind der Drogen wegen ermordet worden . . . Helft mir, meinem Enkel eine sicherere Zukunft zu geben!“ Die Großmutter wurde über einen längeren Zeitraum von unseren Fachfrauen betreut, die ihr helfen konnten, mit der neuen Situation besser zurecht zu kommen. Der befürchtete Rückfall bei Josué blieb aus: seine kleine Welt hatte sich mittlerweile so stabilisiert, dass ihn der Verlust der ihm im Grunde unbekannten Mutter nicht aus der Bahn warf. Und nach den Sommerferien, im Februar 2018 wird er ein i-Dötzchen sein!
Allen unseren Schulanfängern möchten wir ein Programm für den halben schulfreien Tag anbieten: Hausaufgabenbetreuung, Singen, Tanzen, Musizieren und angeleitetes Spielen - alles lernfördernde Aktivitäten. Dadurch können die Kinder in unserem Umfeld bleiben, werden weiterhin gefördert, gefordert und betreut.
2015 bewarb sich die 20-jährige Elcia um einen Platz im Kurs Hilfspflegekraft, der vornehmlich im Oswaldo-Cruz-Krankenhaus in Zusammenarbeit mit dem SENAC abgehalten wird. 2014 hatte sie nacheinander halbtags den Informatik- und dann den Verwaltungsgrundlagenkurs besucht und abgeschlossen, denn sie wollte in dem kaufmännischen Job, den sie hatte, bessere Leistungen bringen können - auch wenn ihre Arbeit sie nicht befriedigte. Sie war froh, überhaupt eine Stelle zu haben! In GIRASSOL hörte sie von der Krankenpflegeausbildung und war sich sicher, dass dieser Beruf ihr die ersehnte Zufriedenheit schenken würde. Sie bekam einem Ausbildungsplatz. In den vergangenen fast zwei Jahren hat sie neben dem anspruchsvollen Lernpensum es noch geschafft, einem Teilzeitjob nachzugehen - sie ist auf den Verdienst angewiesen. In wenigen Wochen wird sie ihr Abschlusszertifikat als Hilfspflegekraft in den Händen halten. Während die junge Frau ihre Geschichte erzählt, strahlt sie und erläutert ihre Zukunftspläne: „Jeder weiß, dass ich aus einer ‘favela‘ komme . . . Aber ich mache meine Arbeit gut und sehr gerne, werde häufig gelobt. Ich weiß nun, dass der Sinn meines Lebens in der Pflege kranker Menschen liegt. Ich will nächstes Jahr in der Abendschule meine Hochschulreife erlangen und dann werde ich - hoffentlich! - im Abendstudium Diplomkrankenschwester werden!“
SBA GIRASSOL Kids/Pro - Transformando vidas através da educação - Das Motto des Sozialprojektes heißt sinngemäß: wir verändern Leben durch Erziehung und Bildung. GIRASSOL gibt Menschen Hoffnung durch eine Chance auf ein besseres Leben. Hoffnung macht jedes Leben besser! Die Menschen, die für und in GIRASSOL arbeiten, die unzähligen ehrenamtlich Helfenden, die Förderer und Spender - wir alle sind Hoffnungsträger, die Benachteiligten und Perspektivlosen Hoffnung geben. Unsere Hilfe zur Selbsthilfe trägt dazu bei, dass aus Hoffnungslosen selbst Hoffnungsträger werden können in einer Zeit, in der unsere Welt dringender denn je solcher Menschen bedarf!
Wir danken Ihnen für Ihre Unterstützung von Herzen und möchten Sie bitten, bleiben Sie Spender, Botschafter unserer guten Sache! Werden Sie somit Hoffnungsträger für die Kinder und Jugendlichen mit ihren Familien, die durch GIRASSOL betreut werden - es waren in den zurückliegenden 25 Jahren übrigens etwa 5.400 Jungen und Mädchen!
Frohe, gesegnete Festtage und ein gesundes 2018 voller Tatendrang wünscht Ihnen im Namen des Fördervereins Girassol e.V. I
hr dankbarer
Andreas Krebs