Meine Zeit im Lar Social GIRASSOL

Ein prägendes Erlebnis – Meine Zeit im Lar Social GIRASSOL:

Es sind die großen, braunen Kinderaugen, die oft lachten aber manchmal auch weinten, an die ich mich immer wieder erinnere. Ich verbrachte 3 Monate im Kinderheim GIRASSOL in São Paulo, um dort als Voluntärin mitzuhelfen. Mein Name ist Kerstin Stumpp und ich bin 20 Jahre alt. Nachdem ich im letzten Jahr Abitur gemacht hatte, war es ein Wunsch von mir, in einer sozialen Institution im Ausland für eine bestimmte Zeit zu helfen, um vielleicht wenigstens einen kleine Hilfe für Menschen zu sein, die auf die Zuwendung anderer angewiesen sind.

Durch meinen Vater, der mit der Familie Pohlmann schon länger in Kontakt stand, lernte ich Angelika Pohlmann kennen, die nicht nur eine der Gründerinnen, sondern im Prinzip die Mutter des Kinderheims GIRASSOL ist. Ich habe (zwar in meinem kurzen Leben, aber immerhin) nie jemanden kennengelernt, der sich mit soviel Liebe und Aufopferung für das Wohl anderer Menschen, in diesem Fall, für die Kinder einsetzt.

Angelika Pohlmann ermöglichte es mir, von März 2004 bis Juni 2004 im Kinderheim GIRASSOL in São Paulo zu arbeiten. Ich bekam dort ein Zimmer und wohnte während meiner Zeit in Brasilien dort.

Es war mein erstes Mal in Brasilien und nie zuvor hatte ich wirkliche Armut mit eigenen Augen gesehen. Schon auf dem Weg vom Flughafen in die Stadt boten sich mir Bilder, wie ich sie eben noch nie gesehen hatte. Der Flughafen befindet sich am Stadtrand und gerade dort befinden sich ja bekanntlich die Favelas, die Armenviertel, in denen die Menschen in großer Armut leben müssen, weil sie mit der Hoffnung, Arbeit zu finden, in die Städte kommen, dort jedoch meist erfolglos bleiben.

Auch das Kinderheim „Lar Social GIRASSOL" befindet sich inmitten einer solchen "favela", die allerdings erst nach der Gründung dessen um das Kinderheim herumwuchs, weil sich die "favelas" in Richtung Stadtrand immer weiter ausbreiten.

Das Kinderheim an sich ist in meinen Augen wunderschön. Es ist mit soviel Mühe und Herzlichkeit eingerichtet und man sieht, mit wieviel Liebe sich alle Ehrenamtlichen und Angestellten darum bemühen, ein bestmögliches Zuhause für die bedürftigen Kinder zu schaffen.

Ich half in den verschiedensten Bereichen mit. Ich spielte, bastelte und malte mit den Kindern, ich half, soweit es meine Portugiesischkenntnisse zuließen, bei den Hausaufgaben und bei beim Verteilen des wunderbaren Essens, das die Köchin täglich zauberte. Vor allem aber war es für die Kinder wahrscheinlich eine Bereicherung, dass eine weitere Person anwesend war, die ihnen ein wenig Aufmerksamkeit geben konnte, sie z.B. einfach in den Arm nehmen konnte. Eine Aufmerksamkeit, die diese Kinder so dringend brauchen, weil sie ihnen von ihren Familien aus den verschiedensten Gründen nicht gegeben werden kann. Viele der Kinder kommen aus sehr zerrütteten Familienverhältnissen. Sie stammen aus Familien, in denen Armut und dadurch oft Drogen und Alkohol eine zu große Rolle spielen. Familien, in denen ihnen oft keine Liebe, sondern Misshandlung und Erniedrigung entgegengebracht wurde.

Durch gerichtliche Beschlüsse erhalten solche Kinder die Möglichkeit, z.B. im GIRASSOL eine menschenwürdige Kindheit zu verbringen und vor allem eine Grundlage für ihr weiteres Leben zu schaffen. Sie erhalten dort nicht nur die grundlegende Verpflegung, die ein Mensch zum Leben benötigt, sondern sie besuchen die Schule und haben weiter die Möglichkeit, ihre Fähigkeiten und Talente in verschiedenen Kursen im neuen Ausbildungszentrum, das an das Kinderheim angeschlossen wurde, auszubauen und sich dadurch vielleicht Möglichkeiten für ihre Zukunft zu schaffen.

Leider, und das ist einer der schwierigen Aspekte, mit denen man sich bei einer solchen Arbeit sehr intensiv auseinandersetzen muss, sind die Kinder durch ihre schlimme Vergangenheit stark geprägt und daher oft psychisch geschädigt.
Dies äußerte sich auch während meiner Zeit dort z.B. durch Aggressionen von Seiten der Kinder. Agressionen, die sich nicht nur gegen andere Kinder, sondern sogar gegen Angestellte richteten. Einige Kinder hatten nie zuvor gelernt, sich an bestimmte Regeln und Abläufe zu halten, weil sich niemand um sie gekümmert hatte und nun war es für sie schwer, zu akzeptieren und zu verstehen, dass in einem geregelten Leben bestimmte Regeln und Pflichten zu beachten sind.
Obwohl die Kinder psychologische Hilfe haben, schien es bei manchen Kindern nicht möglich, sie „von ihrer Vergangenheit zu heilen", weil sie sich bereits zu sehr in ihre Seelen gefressen hat. Aber gerade das zeigt ja, wie wichtig es ist, diesen Kindern Aufmerksamkeit zu schenken, sich diesen Kindern zuzuwenden und zu versuchen, ihnen das Gefühl von Einsamkeit und Ungeliebtheit zu nehmen. Denn nur, wenn man ihnen dabei hilft, wird es möglich und es ist ein langer Prozess. Die Kinder müssen das Selbstvertrauen, das ihnen genommen wurde, wiedergewinnen. Daher ist es sehr gut, dass die Kinder im GIRASSOL verschiedene Kurse besuchen können und die verschiedensten Dinge lernen. So können sie Selbstbestätigung erfahren und dadurch Selbstbewusstsein entwickeln. Vor allem aber bereiten sie sich auf ihre Zukunft vor.

Ich erinnere mich so gerne an die vielen Umarmungen der Kinder, die vielen lustigen und schönen Momente, die ich mit ihnen erlebt habe und an ihre lachenden Augen. Leider aber haben eben diese Augen nicht immer gelacht, sondern oft auch das große Bedürfnis nach Zuneigung ausgestrahlt. Oft waren die Kinder sehr „schwierig", aber gerade das spricht für ihre große Bedürftigkeit.

Wie wunderbar es ist, dass sie an Orten wie dem Kinderheim „Lar Social GIRASSOL" ein Zuhause, Wärme und Geborgenheit erfahren. Ich hoffe, dass noch viele, viele Kinder dort Zuflucht finden werden.

Für mich war die Zeit dort ein sehr prägendes Erlebnis.
Niemals werde ich diese Augen vergessen.

von Kerstin Stumpp - 29.08.2004

Zurück

Navigation Schließen Suche E-Mail Telefon Kontakt Pfeil nach unten Pfeil nach oben Pfeil nach links Pfeil nach rechts Standort Download Externer Link Startseite